Die ultimative Konsequenz unseres Lebens – der Tod – existiert ebenso lange wie das Leben selbst. In solchen Zeitdimensionen gedacht, gibt es digitale Medien natürlich erst seit einem unbedeutenden Augenblick.

Wenn ein Leben erlischt, müssen wir alle unvermeidlich mit der Trauer und den Folgen umgehen. Der Tod war schon immer und in jeder Hinsicht ein einschneidendes Ereignis für die gesamte Gesellschaft.

Heute müssen wir uns jedoch einer ganz neuen Frage stellen: Welche digitalen Spuren hinterlassen wir? Was bleibt von uns in einer Ära, in der unser gesamtes Leben digital dokumentiert wird?


Digitale Dokumentation


Ein kurzer Blick auf unsere Facebook Timeline, Unterhaltungen auf WhatsApp oder Instagram Feeds erinnert uns daran, dass unser Leben heute bereits von Geburt an viel ausführlicher dokumentiert wird als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Dieser Informationen sind an vielerlei digitalen Orten für eine breite Gemeinschaft einsehbar.

Digitales Vermächtnis Facebook

In den kommenden Jahren wird jeder einzelne – wichtige oder unwichtige – Moment aus dem Leben unserer Regierungschefs, Militärfunktionäre oder direkten Vorgesetzten online für alle zu sehen sein. Denn die jungen Justin Bieber-Teenies von heute sind die führenden Persönlichkeiten von morgen!

Es ist praktisch unmöglich, keine Online-Spur seines Lebens zu hinterlassen, insbesondere, wenn man es in unserer Kultur zu einigem Erfolg bringen möchte. Das ist die Macht der digitalen Aktivität.

Ich war letztes Wochenende in der Türkei. Selbst ohne mein freiwilliges Mitteilen dieser Information, existieren besorgniserregend umfangreiche Beweismittel zu meiner Reise im Internet, und zwar nicht nur zu der Tatsache, dass ich in der Türkei war, sondern auch darüber, mit wem ich dort war und was ich unternommen habe.

Digitales Vermächtnis Checkin

Was passiert nun mit diesen Informationen, wenn ich einmal nicht mehr bin?


Die Spuren, die wir hinterlassen


Facebook, Twitter und soziale Netzwerke älteren Datums, wie beispielsweise Bebo und MySpace, gibt es gerade mal seit einem Jahrzehnt. Und doch es ist wahrscheinlich, dass viele Menschen heute schon mit jemandem verbunden sind, der in der wirklichen Welt nicht mehr existiert.

Hinterbliebene stehen vor der schwierigen Entscheidung, diese scheinbar oberflächlichen Profile vollständig zu löschen oder sie als eine Art ewigen Schrein für die Verstorbenen zu bewahren.

Der Wunsch, diese Spuren zu entfernen, ist selbstverständlich nachvollziehbar und ein verlassener Facebook Account kann wie ein absurdes Zerrbild eines Menschen erscheinen, der zu Lebzeiten vielleicht ganz anders war. Gut gemeinte Beiträge zu alltäglichen Begebenheiten können die Trauerzeit empfindlich stören und spiegeln die Persönlichkeit des verstorbenen Menschen eventuell nicht richtig oder nicht feinfühlig genug wieder.

Zudem verhindert die Familie mit dem Löschen der Online-Präsenz neugierige Blicke von Nutzern, die vielleicht gar keinen Anteil am Leben des Verstorbenen hatten.

Andere wiederum vertreten eine genau gegenteilige Ansicht. Der digitale Fingerabdruck, den wir hinterlassen, vermittelt ein facettenreiches Bild davon, wie wir im Leben waren. Die Fotos, die wir teilen, und die Ansichten, die wir veröffentlichen, sind ein Teil dessen, was wir sind.

Digitales Vermächtnis Portrait

Früher, vor der Erfindung der Fotografie, lebte das Andenken an einen Menschen zu 99 Prozent durch die Erinnerungen der Menschen weiter, die ihn gekannt haben. Diese Bilder sind mit dem Fortschreiten der Generationen immer mehr verblasst und schließlich ganz verschwunden.

Selbst Menschen, die herausragende Beiträge für unsere Gesellschaft geleistet haben, hinterlassen letztendlich kaum mehr als eine Erfindung oder eine Idee, die ihren Namen trägt – und der Name selbst ist häufig auch eine Erinnerung an einen dahingeschiedenen Vorfahren. Das Wesentliche ihrer Persönlichkeit ist allzu leicht für immer vergessen.


Ein globaler Friedhof


Unsere digitalen Spuren öffnen zukünftigen Generationen ein Fenster in die Vergangenheit, sie werden einmal verstehen können, was für Menschen wir heute sind.

Sicher, Flickr wird es vielleicht nicht mehr geben und Facebook wird noch unzählige Male überholt werden. Geräte und Netzwerke werden sich ändern und die speziellen Richtlinien und Protokolle jeder Seite werden völlig anders aussehen.

Dennoch, es liegt in der Natur der digitalen Medien, dass immer etwas von uns bleiben wird. Diesem sensiblen Thema müssen wir uns alle früher oder später stellen.

Ein Freund aus meiner Kindheit hat in der letzten Woche traurigerweise seine Mutter verloren. Er hat seinen Facebook Account dazu benutzt, alle über den Verlust zu informieren. Auf diese Art konnte er die traurige Nachricht schneller, gefühlvoller und wirksamer verbreiten als das vor unserer digitalen Zeit möglich war.

Eine weitere rührende Geschichte berichtet, wie ein Kind, das seinen Vater im Alter von sechs Jahren verloren hatte, in der Lage war, mit dem Geist seines Vaters über die aufgenommene Sequenz eines Xbox-Spiels in Kontakt zu treten.

Digitales Vermächtnis Cars

Die Liste solcher Geschichten, die uns ein spätes Echo von uns gegangener Menschen bringen, wird mit der fortschreitenden Verbreitung der digitalen Medien und dem unvermeidlichen (hoffentlich in ferner Zukunft liegenden!) Ableben von mehr Nutzern immer länger werden. Tatsächlich wird es vermutlich nicht mehr lange dauern, bis in den sozialen Medien mehr verstorbene als lebendige Nutzer zu finden sind.

Zweifellos unterscheidet sich die Einstellung zu diesen digitalen Erinnerungen von Mensch zu Mensch und weltweit – sicher ist jedoch, dass die Diskussionen rund um das digitale Leben nach dem Tod weitergehen werden.