Influencer Relations sind nicht nur für Unternehmen ein großes Thema, sondern auch für NGOs. Hier geht es nicht um spannende oder nützliche Produkte, sondern um erklärungsbedürftige Themen und Überzeugungen. Der WWF hat spannende Ansätze in der Influencer Relations ausprobiert. Dazu haben wir mit Melanie Gömmel gesprochen. Sie ist Senior Social Media Managerin beim WWF Deutschland und unter Anderem für die Influencer Relations verantwortlich. Diesen Herbst hat sie sich mit zwei YouTuberinnen auf die Suche nach den letzten Elefanten in Tansania begeben. Letztes Jahr übernachtete sie mit zwei Influencern im brasilianischen Regenwald, um auf die drohende wirtschaftliche Ausbeutung des Amazonas-Regenwaldes aufmerksam zu machen.
Wie bindet ihr beim WWF Influencer in eure Kommunikation ein?
Wir arbeiten punktuell zu verschiedenen Kampagnen mit Influencern zusammen. Ziel unserer bisherigen Zusammenarbeit war es bislang, für bestimmte politische Kampagnen zu mobilisieren und auf ein bestimmtes Schwerpunktthema aufmerksam zu machen. Was wir unbedingt noch ausbauen wollen sind nachhaltige Kontakte und langfristige Bindung durch gemeinsame Veranstaltungen, Blogger-/Vlogger-Events und regelmäßigen persönlichen Austausch.
Warum arbeitet ihr mit Influencern zusammen?
Es ist unsere Aufgabe, schon früh das Umweltbewusstsein der Jugend zu schärfen und auf globale Umweltprobleme aufmerksam zu machen. Wer die Jugend hat, hat die Zukunft – deshalb haben wir zu unseren letzten beiden Kampagnen #vivaamazonia und #saveselous mit bekannten YouTubern zusammengearbeitet, die genau diese junge Zielgruppe ansprechen. Die enorme Reichweite dieser Influencer hilft uns, unsere Themen einer ganz neuen Zielgruppe zu vermitteln und sie in die Welt hinaus zu tragen.
Wie findet ihr sie und welche Rolle spielt Social Media Monitoring in diesem Prozess?
Das Tolle ist, dass wir bislang meist von den Influencern angefragt wurden, nicht umgekehrt. Deshalb haben wir noch kein Tool zur Hilfe gezogen und haben keine geeigneten Kandidaten vorab recherchiert. Allerdings gibt es während einer solchen Kampagne dann meist Strahleffekte, insofern, als dass andere Influencer auf das Thema aufspringen. Hier hilft uns unser Monitoring-System, diese Multiplikatoren zu finden.
Unter welchen Bedingungen arbeitet ihr mit Influencern zusammen?
Die Menschen, die mit uns zusammenarbeiten, müssen es ernst meinen und sollten unsere Werte teilen. Die Zusammenarbeit mit Influencern ist beim WWF sicherlich anders als bei anderen großen Unternehmen: Es geht viel um Vertrauen, weil wir nichts skripten und keinen Vertrag mit den Multiplikatoren haben. Bei uns ist kein Geld im Spiel, weil wir nicht die Budgets dafür haben. Dafür bekommen die InfluencerInnen einen einmaligen Einblick in unsere Naturschutzarbeit und Erlebnisse, die sie bestimmt so schnell nicht mehr vergessen werden. Viele haben danach schon ein weitaus besseres Verständnis für ökologische Themen und möchten sich auch weiterhin engagieren.
Was sind eure wichtigsten Learnings aus der Zusammenarbeit mit Influencern?
Man muss bereit sein, sich bewusst in einen Kontrollverlust zu begeben und den Mut haben, einfach loszulegen, ohne zu wissen, was daraus wird. Je mehr Gestaltungsfreiheit man lässt, umso besser wird das Endergebnis. Und man sollte mitbedenken, dass an dem/der einen InfluencerIn auch noch ein Netzwerk oder Management steht, dass unbedingt mit informiert werden sollte. Was auch noch wichtig ist: Man braucht unbedingt ein gutes Backoffice-Team, dass den erhöhten Buzz während der Zusammenarbeit managed und quasi 24/7 die Flut an neuen Kommentaren, Tweets & Co. betreut.
Wie hat sich das Influencer Marketing in den letzten Jahren verändert?
Die Szene wird immer größer, die Relevanz von Influencern nimmt weiter zu und die Preise für Kooperationsleistungen entwickeln sich unentwegt nach oben. Trotzdem gibt es leider noch immer keine einheitliche Erfolgsmessung und noch keine transparente Preispolitik, der Professionalisierungsdruck wächst also weiter. Was schön ist: Mir sind in letzter Zeit viele YouTuber aufgefallen, die aktiv Hilfsorganisationen unterstützen, so z. B. itscoleslaw und Dner, und letztlich u. A. noch De Changeman, Simon Unge, Jodie Calussi und MissesVlog für den WWF. Und es gab auch schon ein paar Spendenstreams von bekannten Gamern, die über 100.000 € an Fundraisinggeldern gesammelt haben! Das Bestreben, die eigene Reichweite für den guten Zweck zu nutzen, wächst also – zumindest gefühlt.
Ab wann ist eine Influencer-Kampagne für euch erfolgreich? Wie messt ihr den Erfolg?
Das kommt ganz auf das Ziel an, dass wir uns vorher gesetzt haben. Bei unserer letzten #saveselous-Kampagne mit den YouTuberinnen MissesVlog und Jodie Calussi haben wir uns zum Ziel gesetzt, etwa 100.000 Petitions-Unterschriften zu generieren. Das haben wir glücklicherweise schon übertroffen! Bei der Amazonas-Reise mit Simon Unge und deChangeman hatten wir auch auf einen Anstieg unserer YouTube-Abonnenten gehofft, aber niemals mit einer solch großen Auswirkung gerechnet (von ursprünglich 4.000 Abonnenten auf 15.000 Abonnenten).
Du warst schon zweimal auf einer Reise mit YouTubern – einmal am Amazonas, kürzlich in Selous. Beneidet dich nicht jeder um deinen Job?
Das kann gut sein :) Das waren wirklich tolle Erfahrungen und wir hatten Glück, dass vor Ort immer alles gut gelaufen ist. Dafür, dass ich meine Arbeitszeit eigentlich ausschließlich vor dem Rechner verbringe, durfte ich schon ziemlich viele Abenteuer erleben. Dennoch ist der Aufwand für die Vorbereitung und Durchführung einer solchen Reise nicht zu unterschätzen – vor allem, wenn die Vorbereitung zusätzlich zum Tagesgeschäft läuft. Wenn man dann das tolle Ergebnis sieht, vergisst man den Vorbereitungs-Wahnsinn aber gern wieder. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Melanie Gömmel für das spannende Interview! Fotos: © WWF