In diesem Interview unterhielten wir uns mit Alicia Russell, Digital Marketing Executive für Onalytica, darüber, wie der wahre Einfluss gemessen werden kann.

Ihr Job umfasst so ziemlich jede Facette des Marketingmixes, darunter E-Mail-, Social Media- und Eventmarketing, mit einem deutlichen Fokus auf die Content-Erstellung und einer besonderen Rolle als Vordenkerin bei angesagten Branchenthemen.

Unser Gespräch drehte sich um die Rolle des Influencer Marketing im Marketingmix, die Unterschiede zwischen B2B und B2C und die Komplexität der Influencer-Typen. Außerdem haben wir die große Herausforderung angesprochen, vor der Marketer häufig stehen: Wie misst man tatsächlichen Einfluss?

Wir haben viel von ihr gelernt und hoffen, Ihnen wird es ebenso ergehen. Nachfolgend finden Sie die interessantesten Auszüge unseres Gesprächs.


Hallo Alicia – was verstehst du unter Einfluss?

Das Spannende am Einfluss ist, dass jeder etwas völlig anderes darunter versteht – denn jeder Mensch wird auf ganz eigene Weise in seinem persönlichen Tun beeinflusst.

Allgemein gesehen ist Einfluss, wenn es jemand schafft, uns aufzurütteln und dazu zu bringen, zuzuhören, was derjenige zu sagen hat. Wenn dessen Botschaften Gehör finden und einen Effekt auf uns haben, ist das Einfluss. Der Meinung solcher Menschen wird vertraut und man respektiert ihre Ansichten, entweder weil sie Experten in einem Bereich sind oder einfach, weil das Publikum sich mit gewissen Themen identifizieren kann.

Ein häufiger Fehler im Social-Media-Bereich ist, dass Einfluss einzig und allein an der Reichweite gemessen wird, und zwar anhand von Social Media Followern.

Natürlich ist die Reichweite wichtig, aber sie ist eine Beliebtheitsmetrik. Sicher haben einflussreiche Menschen ihren Einfluss, weil sie in einer bestimmten Gruppe beliebt sind, doch reicht das allein wirklich aus?

Einfluss in seiner reinsten Form ist eine proportionale Kombination der sogenannten 4 Rs: Reichweite (Follower-/Abonnentenanzahl); Resonanz (Wieviel Resonanz erzeugen die Inhalte beim Rest der Community); Referenz (Wie oft verweisen andere Influencer auf die Arbeit? Wie angesehen sind sie?) Relevanz (Wie relevant sind die Themen und Fragen, die sie ansprechen?)


Worauf sollten Marketer bei einem Influencer achten?

Authentizität. Warum sollten Sie Ihre Zeit verschwenden und die harte Arbeit, die Sie in Ihr Branding gesteckt haben, aufs Spiel setzen, indem Sie mit einem Influencer arbeiten, der nicht zu Ihrer Marke passt?

Identifizieren Sie einen Influencer anhand der obigen Kriterien und stellen Sie sicher, dass dieser Ihre Marke erfolgreich und glaubwürdig vertritt.

Auf Instagram, Twitter, Facebook und YouTube werden wir mit Produktwerbung durch bekannte Persönlichkeiten geradezu überschüttet. Zweifellos mag eine B2C-Marke, die das Ziel verfolgt ihre Markenexposition zu steigern, diese Methode wirkungsvoll finden und einen beeindruckenden ROI erzielen.

Dennoch, angenommen Sie vertreten ein B2B-Technologieunternehmen – sind die Fans eines Fernsehstars wirklich an Ihrem Angebot interessiert? Wahrscheinlich nicht.

Als Marke müssen Sie verstehen und genau definieren, was Sie mit der Einbindung von Influencer Marketing oder Influencer Relations in Ihrer breiteren Marketingstrategie erreichen möchten. Geht es um Markenexposition, den Wunsch, sich in einem gesättigten Markt von den anderen abzusetzen oder geht es um Mitarbeiterengagement und Markenwahrnehmung/Reputationsfragen.

Sie müssen verstehen, welche Themen für Ihre Marke relevant sind, damit Sie Influencer identifizieren können, die gleichermaßen relevant sind. Die Anforderungen unterscheiden sich von Marke zu Marke und das ist gut so, denn so hält sich die Konkurrenz um die Influencer in Grenzen.


Warum brauchen Unternehmen das Influencer Marketing in ihrem Marketingmix?

WOM (Word of Mouth) Marketing ist die wirkungsvollste Marketingtaktik. Alle anderen Taktiken sollten nur der Bekanntheitssteigerung dienen und den WOM-Dominoeffekt unterstützen.

Millennials sind gegenwärtig die wichtigste Generation; sie schließen jetzt ihr Studium ab und steigen bereits ins Berufsleben ein. In der B2C-Welt sind sie Verbraucher und in der B2B-Welt werden Sie bald Entscheider sein – somit ist es wichtiger denn je, ihre Motivationen zu verstehen und zu wissen, wie man ihnen Produkte vermarktet. Ein wichtiger Punkt, dem sich alle Marken jetzt widmen sollten.

Millennials unterscheiden sich von der Generation ihrer Eltern (den Baby-Boomern); sie lehnen klassische Werbung ab (Print, Radio und TV), da sie von Natur aus skeptisch gegenüber Marken sind.

Sie vertrauen den Aussagen verlässlicher Quellen; hauptsächlich Familie und Freunden, aber auch Influencern. Influencer Marketing beinhaltet sowohl WOM- als auch H2H-Marketing (Human to Human).

Wenn die oben genannten Gründe nicht überzeugen, wie wäre es dann mit der Tatsache, dass der durchschnittliche ROI für jeden US-Dollar, der für das Influencer Marketing ausgegeben wird, 6,50 USD beträgt? Warum also sollte man kein Influencer Marketing betreiben, schon allein aufgrund dieser ROI-Statistik?


Welche Warnzeichen sollten bei der Suche nach Influencern berücksichtigt werden?

Zum Glück und unglücklicherweise ist „Influencer“ ein lukrativer Karriereweg geworden. Ich sage zum Glück, weil es für alle, die über ein großes Wissen verfügen und für ein bestimmtes Thema brennen, eine gute Entwicklung ist.

Sie haben die Möglichkeit, andere zu schulen, zu inspirieren und zu beeinflussen – und sie haben dabei zudem ein gutes Auskommen. Leider bedeutet dies auch, dass viele diese Chance aus den falschen Gründen ergreifen, sie suchen verzweifelt nach einem Weg, wie sie ihren Einfluss in diesem Bereich ausweiten können.

Selbst in der B2C-Welt haben die bestbezahlten YouTuber einst ihre Kanäle als Hobby aus Leidenschaft betrieben. Konnten sie vorhersehen, wie lukrativ ihr Hobby irgendwann werden würde?

Mit diesem Wunsch, sich als Influencer zu beweisen und gutes Geld zu verdienen, geht das Risiko der Verwässerung des Systems einher. Sie müssen daher nicht nur verstehen, wie Influence definiert wird (4 Rs) sondern auch, wie Influencer sich an die Spitze der einzelnen Metriken schummeln können.

Einige Fragen, die Sie sich stellen sollten, um Warnzeichen zu erkennen, lauten:

Reichweite: Sie mögen viele Follower haben, doch wie sieht es mit der Qualität der Follower aus? Sind sie relevant? Sind es nur welche, die zurückfolgen oder Geister-Accounts? Wie ist ihre Engagementrate? Wie ist das Verhältnis Follower vs Following? Ist die Anzahl Follower/Following mehr oder weniger konstant? Wurde in einer kurzen Zeit eine große Follower-Gemeinde aufgebaut?

Referenz: Wer verweist auf ihre Arbeit und sind diese Personen relevant? Von welcher Qualität sind die Twitterlisten, auf denen sie erscheinen?

Relevanz: Vielleicht haben sie Einfluss bei dem für Sie relevanten Thema, doch wie viele andere Themen decken sie ab? Welche Themen diskutieren sie am häufigsten – sind diese relevant für Ihre Marke? Wenn sie die Inhalte anderer Influencer teilen – kommentieren sie diese oder retweeten sie lediglich? Erwecken sie den Eindruck, als ob sie tatsächlich Ahnung haben von den Dingen, über die sie sprechen?

Resonanz: Erhalten sie echtes Engagement zu ihren Inhalten (z. B. Kommentare, nicht nur Likes und Retweets). Geht ein Teil des Engagements nur auf Automatismen ihrer Follower zurück? Ist das Engagement gegenseitig? Gibt es Anzeichen für gegenseitige Absprachen diesbezüglich?

Dieses Thema untersuche ich in einem Blogpost mit dem Titel: „How to See Past Fake Influence“ hier auf unserer Seite.


Wie unterscheidet sich das Influencer Marketing für B2B-Marken vom dem für B2C-Unternehmen?

Die Kunden von B2B- und B2C-Marken sind völlig unterschiedlich, folglich muss auch der Ansatz von Influencer Marketing und Influencer Relations unterschiedlich sein.

Tatsächlich gilt: Influencer Marketing ist eher für B2C-Marken relevant, während Influencer Relations eher B2B-Marken dient. Sie verkaufen nicht nur an unterschiedliche Personen, sondern bieten auch völlig verschiedene Dinge an.

B2C-Marken können eher von konventionellen Stars mit beliebten Instagram Accounts profitieren, um ihre Markenbekanntheit zu steigern und den Verkauf anzukurbeln; B2B-Marken profitieren hiervon weniger. B2B-Marken, die mit besonders beliebten Influencern arbeiten möchten, werden feststellen, dass der Kostenaufwand sich nicht lohnt.

Der Fokus für B2B-Marken sollte auf den Micro-Influencern liegen. Influencer, die über eine kleinere, feiner ausgewählte Followergemeinde sowie über tiefgreifendes Wissen und Expertise verfügen. Diese Influencer lassen sich eher auf Abkommen ein, die beiden Seiten nützen, als ausschließlich auf finanzielle Anreize zu reagieren.

Sie erkennen, dass sie durch die Kooperation mit Ihrer Marke ebenfalls an Bekanntheit gewinnen und somit im Ganzen gesehen ihre Position verbessern können. Die Art und Weise der Zusammenarbeit beruht hier auf dem natürlichen Beziehungsaufbau – daher rührt der geringfügig abgesetzte Begriff „Influencer Relations“.

Dies ist kein Ansatz für schnelle Gewinne. Wie bei jeder Beziehung wird Zeit benötigt, um eine Vertrauensbasis zu schaffen, die gepflegt und ausgebaut werden kann. Es geht darum zu verstehen, wie die Influencer Community funktioniert und wer mit wem verbunden ist. Auf diese Art verwandeln Sie Influencer viel wahrscheinlicher in Markenbotschafter.

Motiv und Ziele von B2B- und B2C-Marken können sich ebenfalls stark unterscheiden. Natürlich steht am Ende der Rechnung immer der gesteigerte Umsatz in Form von Verkäufen, doch die Art, wie Sie dorthin gelangen möchten, kann sehr unterschiedlich sein.

B2C-Marken konzentrieren sich häufig auf Markenexposition und einen schnellen ROI. B2B-Marken setzen langfristige Ziele beispielsweise in Bezug auf: Markenexposition, Mitarbeiterengagement, Marken- und Reputationsfragen sowie CSR. So können Influencer Relations theoretisch in jedem Unternehmensbereich, nicht nur im Marketing, relevant sein.


Welchen Rat würden Sie Marketern geben, die sich abmühen, den Wert des Influencer Marketing zu beziffern?

Wenn wir den Erfolg des Influencer Marketing messen möchten, müssen wir zunächst konkret messbare Faktoren festlegen. Gut und schön, wenn ein Influencer Ihre Marke erwähnt, doch wie können wir hier den Nutzen messen?

Der Schlüssel zu erfolgreichem Influencer Marketing ist der Inhalt – sowohl Ihrer als auch der des Influencers. Als Marketer sollte der Inhalt ohnehin ein Teil Ihrer digitalen Marketingstrategie sein, da er eine optimale Gelegenheit bietet, ihr Wissen und Können zu beweisen, Ihr Angebot zu bewerben, kontinuierliches Branding und Messaging zu kreieren und letztendlich Leads zu generieren.

Um mehr Exposition zu erlangen und Leads zu gewinnen, sollten Sie mit den Influencern zusammen an der Erstellung der Inhalte arbeiten. So können Sie von deren Wissen profitieren und sich vor deren Publikum präsentieren. Anschließend sehen Sie sich den Marketingtunnel an: Bemerken Sie eine Steigerung der Webbesucher, Anfragen etc.?

Vor diesem Hintergrund sind Eitelkeitsmetriken zwar aufschlussreich, doch eigentlich liegt der Fokus ja auf der Umsatzsteigerung. Mithilfe von Google Analytics können wir einzigartige URLs erstellen, sodass wir die Konversionsraten direkt beobachten können.

Stürzen Sie sich nicht blindlings auf das Influencer Marketing, nur weil es der neueste Marketingtrend ist; arbeiten Sie nicht einfach mit irgendwelchen Influencern zusammen und versprechen sich große Erfolge davon. Wenn Sie den Prozess der Influencer-Identifikation durchlaufen haben, sollten Sie einen strategischen Plan haben, der Ihre KPIs widerspiegelt und sich mit Ihren Unternehmenszielen deckt.

Wenn steigende Markenbekanntheit Ihr Ziel ist, dann kann dies am Web-Traffic und Share-of-Voice in den Sozialen Medien im Vergleich zu Ihren Mitbewerbern gemessen werden. Wenn Sie darauf abzielen, den Ruf Ihrer Marke zu verbessern, dann können Sie in der gleichen Weise, wie Sie das Reputationsproblem identifiziert haben, auch sehen, ob Ihr Plan funktioniert. Analysieren Sie die Online-Gespräche Ihrer Kunden, um zu sehen, ob diese insgesamt zufriedener mit Ihrer Marke sind.