Heute ein etwas anderes Post. In der Regel konzentrieren wir uns auf technische Themen oder besprechen einige besonders interessante Daten aus Brandwatch-Anwendungen, jetzt geht es aber eher um die Diskussion über soziale Medien im Allgemeinen und um die Auswirkungen, die sie auf die Gesellschaft haben können:
„Machen Social Media uns unsozial?“
Diese Frage wurde vor etwa einem Monat auf Quora gepostet. Viele von uns haben diese oder eine ähnliche Diskussion sicher auch schon geführt, und ich kann mir vorstellen, dass dabei jeweils sehr unterschiedliche Meinungen aufeinander geprallt sind.
Es überrascht allerdings kaum, dass auf einer relativ neuen und heißen „sozialen“ Website die Antworten auf diese Frage eher einseitig ausfallen – einige wenige Leute zeigen sich unentschlossen, aber sechs oder sieben Antworten lauten eindeutig „nein”, ohne das geringste Anzeichen in Richtung „ja“.
Man könnte natürlich argumentieren, dass Menschen aus diesem Bereich soziale Medien verteidigen, weil sie sie besser verstehen als diejenigen, die eine hartnäckige Aversion dagegen demonstrieren. Doch auch die Möglichkeit, dass sich hier schlicht und ergreifend eine aus Selbstschutz entstehende Voreingenommenheit der Befragten zeigt, die offenkundig eng mit sozialen Medien verbunden sind, sollte ebenso wenig außer Acht gelassen werden, wie das, was man wohl (manchmal berechtigterweise) als Ignoranz oder Engstirnigkeit von Kritikern bezeichnet.
Wir können nicht bestreiten, dass es sich um eine andere Art der Interaktion handelt
Viele der Antworten enthalten Anhaltspunkte für diese scheinbar blinde Voreingenommenheit für soziale Medien. Eine Teilnehmerin scheint das Thema zu sehr zu vereinfachen, wenn sie fragt: „Warum behaupten wir heute noch, dass es etwas anderes sei, Facebook zu nutzen, als zu einer echten Party zu gehen? Diesen Unterschied gibt es doch kaum noch.“
Ich sage nicht, dass eine der Formen der Interaktion der anderen vorzuziehen ist, bin aber absolut davon überzeugt, dass es einen wesentlichen Unterschied gibt, wenn man berücksichtigt, über welche Fähigkeiten man für die jeweilige Form der Interaktion verfügen muss und welche persönliche Belohnung man daraus ziehen kann. Jess Cartner-Morley sagt in ihrem Artikel im Guardian: „Zu sagen, was man denkt, und dann auf ,absenden’ zu klicken, ist nicht dasselbe wie ein Gespräch zu führen”, und ich glaube, diese Aussage hat eine wichtige Bedeutung: Die gesprochene Kommunikation oder das Gespräch von Angesicht zu Angesicht verlangt ein Maß an spontaner, menschlicher Reaktion und Empathie, das durch die geplante, getippte Form der Kommunikation maskiert oder auf bestimmte Weise manipuliert werden kann.
Ein weiteres Argument von Cartner-Morley dreht sich um die „Auswirkungen des Sichausschaltens aus der Kommunikationsschleife, wann immer man möchte…das wahre Leben funktioniert so nicht.“ Social Media Communities verfügen sicherlich über einige Eigenschaften, die auch reale Gemeinschaften bieten und von denen uns viele am Herzen liegen; wir müssen uns aber auch die Unterschiede bewusst machen und aufpassen, dass wir nicht das Eine durch das Andere ersetzen.
Neue Technologien in der Vergangenheit
Andere Befragte weisen darauf hin, dass historisch jede neue Form der Interaktion und Kommunikation, wie der Brief, das Handy oder das Telefon, zweifellos zum Zeitpunkt ihres Auftauchens von Kritikern in die Mangel genommen wurde. Social Media vereinen offenkundig einige einzigartige Aspekte, wie die Einfachheit der Bedienung und die Geschwindigkeit, mit der sie das „Entstehen schwächerer, aber zahlreicherer Verbindungen“, wie Regnard Raquedan es formuliert, vereinfachen, doch die Technologien der Vergangenheit haben die Kommunikation jeweils revolutioniert, wenn sie sich durchgesetzt haben.
Der Tiefgang und die Komplexität unserer Kommunikation heben den Menschen entscheidend von anderen Spezies ab und bilden die Grundlage unserer Zivilisation. Wenn also neue und noch unbekannte Technologien sich auf die Hauptströmung und das Aussehen der Kommunikation auswirken, geht das immer mit Unbehagen und Besorgnis einher. Diese Bedenken sollten wir nicht einfach als Ignoranz oder Angst vor Veränderungen abstempeln; es ist vielmehr wichtig, sich die Zeit zu nehmen, sie zu verstehen und zu bewerten (kulturelle Entwicklungen sind nicht automatisch immer zu unserem Besten, wenn ich das so sagen darf) und die Vorteile gleichzeitig anzuerkennen.
Es gibt wesentliche und einzigartige Vorteile
Christie Ann Barakat gibt eine sehr ausgeglichene Antwort, die Zugeständnisse an beide Seiten macht. Sie beschreibt die Bereicherung, die Social Media für Beziehungen aus dem „echten Leben“ darstellen können, indem man mit anderen Menschen in Kontakt bleiben, Pläne machen und sich austauschen kann, und lobt darüber hinaus die Freiheit des Ausdrucks, die die sozialen Medien denjenigen verleihen, „die ansonsten in Gesellschaft eher unsicher sind“; sie ist der Ansicht, dass „Vorurteile aufgrund von Alter, Geschlecht, Rasse“ in sozialen Medien beiseitegeschoben werden können. Diese Aussagen kratzen an der Oberfläche, doch es gibt eine ständig wachsende Liste an Möglichkeiten, wie wir von sozialen Medien profitieren können, und aus der Sicht, aus der ich schreibe, bedürfen diese nur wenig mehr Dokumentation.
Nachdem sie auf Beispiele von Menschen hingewiesen hat, deren Affinität zu ihrem „Gerät” gelegentlich der persönlichen Interaktion den Rang abläuft, kommt Barakat zu dem Schluss, dass „das Meiste, was wir darüber wissen, auf Hören-Sagen und Mutmaßungen basiert; wir brauchen mehr wissenschaftliche Forschung, um die Fragen zu den Vor- und Nachteilen umfassend beantworten zu können“. Während diese Schlussfolgerung nicht die zufriedenstellende Lösung bietet, auf die einige vielleicht gehofft haben, ist sie meiner Meinung nach doch eine recht vernünftige und klare Zusammenfassung der aktuellen Lage in Bezug auf dieses Thema.
Für viele Menschen sind soziale Medien noch etwas relativ Neues, und wir befinden uns noch mitten im Prozess des Lernens, wie wir sie nutzen und inwiefern wir vorsichtig damit umgehen sollten (das Thema Datenschutz ist ein Problem, das sich nicht von selbst erledigen wird). Die Beantwortung der Frage in der Überschrift sollte keine Entscheidung für Optimismus oder Pessimismus darstellen. Wir können die Vorteile und Möglichkeiten dieser neuen Kommunikationsform voll annehmen, wenn wir gleichzeitig erkennen, dass sie unsere sozialen und kulturellen Werte tiefgehend verändern kann. Das heißt, wir müssen uns darüber im Klaren sein, wie wichtig es ist, jetzt, da diese Kommunikationsform noch in den Kinderschuhen steckt, zu beurteilen, wie wir sie nutzen wollen. Einfach ausgedrückt, können wir soziale Medien am besten in unser Leben integrieren, ohne Werte zu verletzen, die wir bewahren wollen, indem wir uns sowohl die Vorteile als auch die Gefahren bewusst machen.
Wenn dieser Post ein wenig zu ernst wirkt, bitte ich um Entschuldigung – um die Stimmung etwas aufzulockern, sehen Sie sich doch die Infographik von Column Five an – Brauchen wir ein Gegenmittel gegen Social Media?, wenn Sie einen Comic zum Thema sehen wollen. Wenn es Ihnen aber noch nicht ernst genug war, könnte es sich lohnen, einen Blick in Sherry Turkles Buch „Alone Together“ zu werfen, das die Frage, wie die Technologie menschliche Interaktion beeinflusst, detailliert erörtert.
Mack Collier spricht ebenfalls über das Thema, doch er verwendet den Begriff „introvertiert“ anstelle von „unsozial“. Vielleicht ist das ein passenderer Begriff – introvertierte Menschen lieben soziale Medien; machen soziale Medien die Menschen introvertierter? Vielleicht – aber ist das dasselbe wie „unsozial“?
Lassen Sie uns wissen, was Sie denken: Werden wir durch die Nutzung von Social Media unsozialer? Oder vielleicht nur introvertierter? Sind das überhaupt geeignete Begriffe?