In diesem Artikel untersuchen wir, wie moderne Unternehmen ihre Social-Analyseteams in das Gesamtnetzwerk der Firma eingliedern und beleuchten die verschiedenen Ansätze, um die richtigen Talente für das Team zu finden.


Die Marketer, Insights- und Analyseexperten führender Agenturen und Marken haben häufig so etwas wie ein Identitätsproblem. Die Buzzwords von gestern sind zum Jargon von heute geworden – digitale und interaktive Teams oder Social Media Teams versuchen noch immer, die richtigen Worte zur Beschreibung ihrer Arbeit zu finden.

Doch es gibt noch ein weiteres Problem, mit dem sich die Menschen, die mit Social Media-Daten arbeiten, beschäftigen. Ein Anliegen, das über das Finden der passenden Nomenklatur hinausgeht. Die Auswahl der richtigen Kandidaten für ihre Social Media-Teams ist und bleibt für Arbeitgeber eine Herausforderung. Ebenso ist auch die richtige Strukturierung dieser Abteilung ein schwieriges Thema.

Das weiter gefasste Ziel ist häufig die Neudefinition des Unternehmens als wahrhaftes Social Business. Ein Social Business ist ein Unternehmen, das die Sozialen Medien zu seinem größtmöglichen Vorteil nutzt, mit all den unterschiedlichen Möglichkeiten, wobei die Social Media-Daten nahtlos in die Unternehmensabläufe und Entscheidungsfindungen aller Unternehmensebenen integriert werden.

Einer der berühmtesten Ansätze zur Strukturierung eines Social Business ist wahrscheinlich das Modell, das Jeremiah Owyang von Altimeter erstmals im Jahr 2010 veröffentlicht hat.

Darin erläutert Owyang fünf unterschiedliche Strukturformen in großen Unternehmen: Organic, Centralized, Coordinated, Dandelion, und Honeycomb. Die zugrundeliegende Argumentation des Modells ist, dass Firmen sich mit zunehmender Nutzung von Social Media-Daten auf der Grafik von der linken zur rechten Seite bewegen.

Die verschiedenen Phasen dieses Modells können kurz gefasst wie folgt beschrieben werden:

  • Organic – Wenige Experten und kleine Gruppen leisten Pionierarbeit im Bereich „Social“, häufig agieren sie unabhängig voneinander
  • Centralized – Eine Abteilung kontrolliert alle Aktivitäten im Zusammenhang mit den Sozialen Medien und lässt dabei wenig Spielraum zu
  • Coordinated – Ein bereichsübergreifendes Team ist zentral eingesetzt und unterstützt unterschiedliche Einzelteams durch Training, Schulungen etc.
  • Dandelion – „Unternehmen im Unternehmen“ agieren fast unabhängig voneinander unter dem Dach einer gemeinsamen Marke
  • Honeycomb – Alle Abteilungen und Mitarbeiter im Unternehmen sind in Bezug auf Soziale Medien geschult und in der Lage, deren Vorteile optimal zu nutzen
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Regelmäßig wird untersucht, wie weit US-amerikanische Unternehmen bereits in diesem Reifeprozess fortgeschritten sind und es zeigt sich, dass der Markt sich langsam aber sicher verändert. Zwar wird Owyangs Etikett des ganzheitlichen Social Media-Unternehmens schwer zu erlangen sein, doch das Prinzip „Social“ in möglichst viele Abteilungen mit möglichst vielen Applikationen zu integrieren, wird zunehmend umgesetzt.

Wie bei jedem Modell ist die Realität ein wenig chaotischer und hinkt etwas hinter der Theorie her. Beginnen Unternehmen tatsächlich mit einer Hand voll verzweifelter Vorkämpfer, bevor sie sich in Richtung Center of Excellence entwickeln? Und wie sind diese Teams aufgebaut?


Die Strukturen

Eine Marke, die den Weg der „Center of Excellence“ gewählt hat, ist ein amerikanischer Haushaltswarenhersteller mit einem Setup, das Owyangs Coordinated-Phase ähnelt. Diese Phase ist mittlerweile die gebräuchlichste Struktur in US-amerikanischen Unternehmen.

Das Unternehmen hat sein zentrales Team – Digital Strategy and Innovation – das mit Social Media-Daten neben anderen Analysefunktionen arbeitet. Die kombinierten Ergebnisse aus diesen Datensätzen werden anschließend zugeschnitten und an die unterschiedlichen Unternehmensbereiche verteilt. Die von den einzelnen Abteilungen benötigten Services unterscheiden sich ebenso, wie es die Logistik-, Ziel- und Marketingtaktiken der Bereiche tun. Das zentrale Team kann diesen gezielten Anforderungen unmittelbar gerecht werden oder zumindest die benötigten Reports und Systeme unterstützten – wie beispielsweise die jüngsten Vorstöße des Gastgewerbes oder des Sanitärbereiches in die schicke, neue Welt der Kommandozentralen.

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Ein weiteres Setup der Coordinated-Struktur wendet der, nach gewissen Gesichtspunkten, größte Versicherer in den USA an. Wie viele große Unternehmen möchte die Firma ihre Identität nicht preisgeben, doch eine Top-Level-Ansicht ihres Setups enthüllt eine Perspektive, die leicht von der des Haushaltswarenherstellers abweicht.

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Das Finanzdienstleistungsunternehmen wendet ebenfalls einen ähnlichen „Center of Excellence“-Ansatz mit einer zentralen Datenarbeitsgruppe an. Allerdings ist dieser Ansatz so aufgebaut, dass die Insights an Funktionsteams geliefert werden, anstelle der Servicebereitstellung für die unterschiedlichen Geschäftsbereiche. Das Marketing wird beispielsweise mit einer Reihe an Reports und Programmen versorgt, die dabei helfen, den ROI der Marketingaktivitäten zu bestimmen.

Die PR- und Sicherheitsteams konzentrieren sich eher auf das Krisenmanagement und nutzen dieselben Daten zu unterschiedlichen Zwecken. Der zentralisierte Einfluss auf die Nutzung der Social Media-Daten im gesamten Unternehmen erleichtert die Durchsetzung gleichbleibender Standards, und die gewonnene Expertise sickert gezielt oder auch auf natürliche Weise in andere Teams durch. Dies ist eine kluge Art und Weise, den kontinuierlichen Fortschritt der digitalen Transformation unternehmensweit zu stimulieren. Der Ansatz vermittelt den größten Teil des neuen Wissens an ein kleines Team, anstatt ein schwerfälliges, groß angelegtes Programm für einen großen Pool von Mitarbeitern zu implementieren.

Dieses Setup wird insbesondere in der westlichen Welt häufig angewandt und die Umsetzung kann an Beispielen wie Unilevers „People Data Center“ beobachtet werden. Andere Beispiele sind das Digital Operations Center des Britischen Roten Kreuzes oder das zentrale Monitoring Team der Sparkassen durch die Sparkassen-Finanzportal GmbH.

Es ist schwierig, sich einen vollständigen Überblick über die Struktur der Teams zu verschaffen, die die weltgrößten Marken in Social Businesses verwandeln, da vielfältige Geschäftsmodelle und Kulturen existieren. Klar ist jedoch, dass eine wachsende Anzahl Marken – tatsächlich mehr als die Hälfte – ihre Social-Daten-Aktivitäten von einem zentralen Punkt aus steuert, während gleichzeitig die Autonomie jeder Abteilung gefördert wird. So kann ein einzelnes Team jede Funktion, jeden Geschäftsbereich oder sogar jeden Standort mit den nötigen Mitteln ausstatten, um die Sozialen Medien bestmöglich und einheitlich zu nutzen.

Social Business Banner

Die Menschen

Ihr Unternehmen als Social Business zu strukturieren ist die eine Sache, doch ohne die richtigen Mitarbeiter an den richtigen Stellen kommen Sie nicht weiter. Die Auswahl des richtigen Personals beschleunigt den Fortschritt des Social Business-Projektes ganz entscheidend.

Eine Untersuchung von Gartner schlägt vor, dass pro Milliarde Umsatz sieben bis acht Mitarbeiter im Bereich Analytics arbeiten sollten, zwei davon sollten speziell für die Sozialen Medien abgestellt sein. Das bedeutet für die Mehrzahl der Fortune 1000-Unternehmen eine beachtliche Anzahl an Mitarbeitern für Social Analytics. Dieselbe Untersuchung stellte fest, dass die Hälfte der Unternehmen diese Funktionen weiter ausweitet, viele bauen auf den „Center of Excellence“-Ansatz auf.

Selbstverständlich streben die meisten Centers of Excellence (oder ähnliche Strukturen) danach, die besten analytischen Köpfe für ihr Team zu gewinnen. Doch um erfolgreich zu sein, muss man mehr beachten als nur das Einstellen von Datenwissenschaftlern mit starkem qualitativen Hintergrund.

Viele Organisationen konzentrieren sich mittlerweile stärker auf das Charisma der Mitarbeiter im Datenbereich. Die besten Analysten strahlen auch eine gewisse Anziehungskraft aus. Und da Training und Qualifizierung in dieser Rolle immer wichtiger werden, sollen sie sowohl geschickt überzeugen und für sich einnehmen als auch mit einem Spreadsheet umgehen können.

„Viele Unternehmen unterrichten Datenwissenschaftler mittlerweile darin, wie sie ihre Ergebnisse dem Management optimal präsentieren können: Storytelling ist heute ein üblicher Bestandteil des Analytics-Lehrplans. Gleichzeitig wenden Datenwissenschaftler zunehmend komplexe und fortschrittliche Techniken an. Unterm Strich können allerdings die Bemühungen, Analyseergebnisse einfacher zugänglich zu machen, nicht mit der zunehmenden Komplexität der Analysen mithalten.“
DR. SAM RANSBOTHAM, DATA AND ANALYTICS EDITOR, BEI MIT SLOAN MANAGEMENT REVIEW

Ein Team aus leidenschaftlich engagierten Machern und Mitdenkern hilft dabei, Ergebnisse aufzudecken, mit denen sie nicht gerechnet haben, sowie den Aktionen, die sich aus den Erkenntnissen ergeben, mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

„Sicher, Menschen mit einem Hintergrund in Analytics und Datenwissenschaft sind großartig. Ja, Hingabe zum Detail ist überaus wichtig. Ja, sie kommen häufig aus akademischen Programmen, die den Fokus auf die Fähigkeiten der linken Gehirnhälfte legen. Was bei all diesen Fähigkeiten noch fehlt, ist jedoch dieser unbeugsame Wille, das Rätsel zu lösen. Findet genau diese Leute.“
WILL MCINNES, CMO VON BRANDWATCH

Andy Frawley ist CEO von Epsilon, einer Organisation mit mehr als 5.000 Mitarbeitern, die sich selbst als „globales Marketing-Unternehmen“ beschreibt. Er glaubt, dass das wirksame Verbreiten der Insights mindestens ebenso wichtig ist, wie das eigentliche Extrahieren der Erkenntnisse aus dem Datenberg. Das führt dazu, dass er viel stärker darauf achtet, Mitarbeiter mit weniger technischem Hintergrund mit den klassischen Datenwissenschaftlern zu kombinieren, insbesondere da die Analysetechnologien immer einfacher zu nutzen sind.

„Im Bereich Datenvisualisierung steckt noch großes Potenzial. Und selbst manche Tools, die prädiktive Ansätze bieten, können inzwischen von weniger technisch versierten Menschen genutzt werden. Geht es dann um Hardcore-Maschinenlernen und derartige Dinge, sind Mitarbeiter mit anderen Qualifikationen gefordert.“
ANDY FRAWLEY, CEO VON EPSILON

Eine weitere Dynamik, die diese Denkweise stützt, ist, dass viele der Daten in Echtzeit bereitgestellt werden müssen, insbesondere Social Media-Daten. So entsteht ein gesteigerter Bedarf an Insights, die weitgehend mithilfe von Technologien anstelle von Menschenkalkül gewonnen werden.

„Zuvor hieß es: ‚Ich möchte ein Modell entwickeln, um einzuschätzen, wer eine Hypothek aufnehmen wird.‘ Anschließend haben wir sechs Wochen mit der Entwicklung des Modells verbracht und weitere sechs Wochen mit der Anwendung. Doch all das geschieht heute in Echtzeit, denn auch die Verbraucher agieren in Echtzeit. So entsteht vom Marketingstandpunkt her ein völlig neuer Rhythmus.“
DR. JERRY KANE, ASSOCIATE PROFESSOR OF INFORMATION SYSTEMS AM BOSTON COLLEGE

Es gibt gegenteilige Ansichten darüber, welcher demografische Pool am besten genutzt wird, um dieses optimale „Wissenschaft-trifft-Marketing“-Team aus Analysten für ein erfolgreiches Social Business zusammenzustellen.

Während größere Unternehmen sich eher auf Datenspezialisten der Generation Y konzentrieren, und stark expandierende Unternehmen digital informierte Millennials bevorzugen, vertritt Mike Volpe vielleicht die ausgewogenste Einstellung.

„Suchen Sie nach Menschen, die digital ohne Akzent sprechen. Digital Natives oder Immigrants sind gleichermaßen geeignet, solange sie die volle „Staatsbürgerschaft“ besitzen.“
MIKE VOLPE, ANGEL INVESTOR UND FORMER HUBSPOT CMO

Dieses ausgeglichene Verhältnis der Kräfte zollt den Social Media-Daten – unter den richtigen Bedingungen – den nötigen Respekt und hält sie im Fluss, während es gleichzeitig einen gesund kritischen Blick auf die Erkenntnisse erlaubt. Mitarbeiter, die zwar aus dem Datenbereich, jedoch nicht aus dem Bereich Social Media-Daten kommen, hinterfragen die Gültigkeit der fadenscheinigeren Social Media-Ergebnisse und fördern im Team die Sichtweise, dass die Daten vielleicht nicht perfekt sind.

Die jüngeren Digital Natives bringen Beweglichkeit und den Verbraucherverstand, der unerlässlich ist, um in den 2010er Jahren zu bestehen. Hinzu kommt ihr ureigenes Verständnis der digitalen Landschaft, das dem Output des Teams Kontext, Tiefe und Wert verleiht.

Damit liegt auf der Hand, dass die meisten Teams ein Mix aus Erfahrungen, Hintergründen und Fähigkeiten sind. Das Finden dieser Menschen gestaltet sich manchmal schwierig. Social-Analyse-Abteilungen an sich sind relativ jung. Daher ist es ratsam, nach Absolventen oder Menschen am Anfang ihrer Karriere zu suchen. Am besten man findet jene, die möglicherweise für komplexere Datenwissenschaftskarrieren bestimmt sind und qualifiziert sie für die Rollen, die aktuell im Social Insights Team benötigt werden.

„Gerade bei den Stellen im Bereich Datenwissenschaft haben wir Probleme, die richtigen Talente zu finden. Wir setzen daher stärker darauf, unsere Mitarbeiter selbst zu entwickeln. Wir finden unsere Talente oft unter den Hochschulabsolventen. Natürlich nicht ausschließlich dort, aber wir haben viele gute Erfahrungen mit jungen Menschen gemacht, die direkt von der Schule oder Universität kommen. In diesem Jahr haben wir 150 Universitätsabsolventen eingestellt, und einer der Bereiche, in die wir sie schicken, ist die Datenwissenschaft – vorausgesetzt sie verfügen über die erforderlichen Qualitäten.“
ANDY FRAWLEY, CEO VON EPSILON

Es ist nicht verwunderlich, dass es keine feste Methodologie für die Strukturierung und den Aufbau eines erstklassigen Social-Analyse-Betriebs gibt. Die spezifischen Anforderungen richten sich nach der internen Unternehmensstruktur, den Zielen und natürlich den Ambitionen und Einstellungen des Managements. Dennoch entwickeln sich einige Best Practices nach den Vorgehensweisen der weltweit erfolgreichsten Unternehmen. Und da immer mehr Firmen mit neuen und unerprobten Implementationen arbeiten, dürfen wir in den nächsten Jahren weitere Veränderungen erwarten.